Reden wir nicht darüber, dass der Slogan, der medial großartig gefeiert wurde, bereits über ein Jahr zuvor vom Kultur Aktiv, einem Verein, bei dem ich Mitglied bin, ins Rennen geschickt wurde als Motto für eine Konzertreihe zum 800sten Geburtstag Dresdens. Reden wir nicht darüber, dass ich den Spruch schon damals albern fand und auch darüber nicht, dass den professionellen Journalisten dieser Stadt, die den hohen Ratschluss verkünden durften, bei der Erwähnung von „Dresden barockt“ kein „Moment mal!“ durchs Gehirn zuckte. Bei diesem schlechten Langzeitgedächtnis wundert mich auch nicht mehr, dass der Sachsensumpf noch vor sich hin müffelt…
Was mich an solchen Aktionen am meisten stört, ist, wie krampfhaft versucht wird, ein „Wir“-Gefühl zu erzeugen. Wie soll das gehen? Was verbindet den Harz IV-Empfänger mit dem Chef eines großen Unternehmens, was die 70-Jährige mit dem Kleinkind, was den Universitätsprofessor mit dem Hilfsarbeiter, was den Gorbitzer mit dem Loschwitzer? Ich habe definitiv keine Antwort auf diese Fragen, zumindest nichts Substanzielles, was über das Niveau eines Bild-Zeitungs-Wirs oder das „Wir“-(Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt)-Geschwafel professioneller Werbetreibender hinausgeht. Ehrlich gesagt, sind mir diese Wirs suspekt. Ich fühle mich davon gegen meinen Willen vereinnahmt, ja regelrecht vergewaltigt. Mit diesem Volks- und Schicksalgemeinschafts-Wir will ich nichts zu tun haben.
Nur weil ich in der gleichen Stadt wie Bürger X und Y wohne, gibt es nicht zwangsläufig etwas, was mich mit ihnen verbindet. Sicher, alles was sich unter Lokalpolitik subsumieren lässt, geht uns gleichermaßen an. Wenn meine Stadt pleite ist und keine Handlungsspielräume mehr besitzt, dann betrifft das alle Bürger. Wenn ein Teil der städtischen Wohnungen verkauft werden, wie in Dresden geschehen (X), dann geht das vorrangig die an, die da wohnen und die, die sich kein Wohneigentum leisten können. Der Rest kann sich getreu des St. Florian-Prinzips freuen, nicht selbst betroffen zu sein…
Lassen wir diese Diskussion, da sie für dieses Forum zu komplex ist. Von „oben“ beschlossene Slogans sind nicht dazu angetan, mir ein Wir-Gefühl zu vermitteln. Für meinen Teil kann ich nur feststellen: Ich lebe ganz gern in Dresden. Weil die Stadt sehr grün ist. Weil die Menschen in ihren teils sehr nervigen Konservatismus eine Menge historische Substanz erhalten haben, von dem, was nach dem Zweiten Weltkrieg noch übrig war. Ich mag Dresden, weil es hier ein interessantes und abwechslungsreiches Kulturleben neben all dem Hochglanz-Vorzeige-Touristen-Krimskrams gibt. Weil das Tempo nicht so krankhaft angezogen und die Leute nicht so trendig-überdreht sind, wie anderswo. Weil ich hier viele gute Freunde habe und mich meist recht wohl fühle.
Mein Vorschlag für ein Stadt-Motto würde lauten:
Dresden – bleib ma ganz ruhsch!
[Für Nicht-Sachsen: Dresden – Bleib ruhig!]
PS: Als ich einer Freundin von diesem Thema erzählte, meinte sie, es entspräche schon den Tatsachen, dass die Dresdner besonders mit ihrer Stadft verbunden sind. Das möchte ich nicht in Abrede stellen. Nur bezweifle ich, dass sich diese Verbundenheit in einen schmissigen Slogan gießen lässt. Dabei handelt es sich um ein Instrument zur Vermarktung, mehr nicht. Und das wird von denen eingesetzt, die etwas zu verkaufen haben...
3 Kommentare:
weil ich grad noch zwei minuten zeit hab.. so aus der ferne wird sehr deutlich, dass dresden sich gleich einer hau-ruck-aktion verkauft.. man hat die vermarktung eben etwas später als andere städte entdeckt ;) ich hoffe nur, es endet nicht im totalen wahnsinn.. aber bis 2012.. ;)
mein motto für dresden: dörfer aller länder vereinigt euch! das trifft für mich die vielfältigkeit.. aber ist natürlich zu lang und setzt vielleicht zu viel voraus..
Passend dazu hat sich gestern in mir der Eindruck verfestigt, dass die Innenstadttouristen sich wohl in einer Art Disneyland-Barock wiederfinden müssen...diese neuen Bürgerhäuser und das knallige Innere der Frauenkirche sind zwar hübsch anzusehen, aber widerstrebt es nicht eigentlich dem Architektenethos, Altes nachzubauen statt zeitgemäße Gebäude zu errichten?
Was hätte man wohl gesagt, wenn auf dem Hasenberg die Semper-Synagoge wiedererrichtet worden wäre...
Mir ist dieser Sloganwahn auch suspekt und das "Wir" ist in unserer heutigen Gesellschaft doch viel zu oft ein erzwungenes Team-Wir und nicht ein kollektiv gewolltes Wir...
Daher ist auch jeder, der nicht im Team arbeiten will gleich ein Soziopath!
Naja, mir hätte die Sempersynagoge auf jeden Fall besser gefallen, als dieses Legoland-Konstrukt...
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