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Samstag, 4. Juli 2009

Burn This Disco Out*

Michael Jackson ist tot und auch ich komme hier nicht umhin, ein paar Worte zu dieser Tatsache von mir zu geben. Erst einmal: Ich bin nicht betroffen. Täglich sterben hunderte Menschen, mit denen mich ebenso viel verbindet, wie mit MJ, nämlich nichts. Wenn ich allen nachtrauern sollte, käme ich zu nichts anderem mehr. Such as life…
Der letzte Abgang des Musikers MJ ist für mich ohne größere Bedeutung. Sein Werk hat so gut wie keine Relevanz für mich – was nicht heiß, dass es im globalen Zusammenhang der Popmusik unbedeutend ist; Genaueres wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Als „Thriller“ 1982 herauskam, ich erinnere mich, dass das „skandalöse“ Video zum Titelsong sogar in der DDR ein Thema war, war ich zehn. Natürlich liefen die Songs im Radio, ich habe auch schon zu „Billy Jean“ oder „Beat It“ getanzt und das gruselige Ende von Thriller fand ich ganz witzig und tue es noch immer. Wirklich nahe gegangen, ist mir die Musik nie.
Als dann 1987 „Bad“ erschien, habe ich anfangs im Radio die Singles mitgeschnitten – damals konnte man als Ossi ja schwerlich in den Plattenladen gehen und „einmal ‚Bad’ von Michael Jackson“ fordern. Aber es dauerte dann schon nicht mehr lange, bis mir „Bad“, „Dirty Diana“, „Smooth Criminal“, „The Way You Make Me Feel“ oder „Man In The Mirror“ auf die Nerven gingen, da sie hoch- und runtergespielt wurden. Die Person MJ selbst, und sein absurdes Bemühen, möglichst nicht mehr so auszusehen, wie ihn die Natur geschaffen hatte, waren schnell Gründe, sich über ihn lustig zu machen. Mit zunehmendem Alter wurde MJ als durchgeknallter Kauz und Aushängeschild der gigantomanen Musikindustrie immer mehr zur Hassfigur. In den letzten Jahren habe ich immer aufgestöhnt, wenn ich seiner Musik nicht entgehen konnte, wo es mir möglich war, habe ich weggezappt oder den Ort des Geschehens verlassen.

Kommen wir aber weg von der persönlichen Sicht, hin zum Allgemeinen: Der erste, zugegebenermaßen zynische Gedanke, der mir kam, war, dass MJs Tod ein echter Segen ist. Vor allem für seine Plattenfirma, die noch einmal endlos viele reale und virtuelle Tonträger verkauft. Einen besseren Zeitpunkt zum Abtreten hätte sich der Ex-Superstar kaum aussuchen können. Durch die Ankündigung des Come Backs war ein gewisses Interesse geweckt, doch es bestand die Gefahr, dass Jackson sich selbst und sein Image demontiert. Denn wer Bilder des 50-Jährigen gesehen hat, konnte nur daran zweifeln, dass der das Programm unbeschadet übersteht, welches er sich auferlegt hatte. Nun ist er also tot, die alten Alben verkaufen sich wie geschnitten Brot und selbst die nun nutzlosen Karten erzielen als Sammlerstücke immense Schwarzmarktpreise.

Gefreut haben über Jacksons Tod dürften sich zudem die Boulevardmedien und all die albernen Formatradios. Einer der vielleicht letzten globalen Superstars ist abgetreten und mit diesem Thema lässt sich das dumme Volk wunderbar in Hysterie versetzen. Jeder hatte etwas beizutragen, jeder wollte etwas sagen, alle waren irgendwie betroffen. Billiger lassen sich Zeitungsseiten und Radiosendungen kaum füllen. Mich würde es zudem nicht wundern, wenn sich herausstellt, dass einige der Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Jacksons Ableben gezielt gestreut wurden, um das Thema noch eine Weile am Kochen zu halten. Scheibchenweise lassen sich so neue Erkenntnisse und finstere Geheimnisse ans Licht zerren, mit denen Leser und Hörer generiert werden, zum Wohle des eigenen Wertes auf dem Werbemarkt.

Der Umgang mit dem Tod Michael Jacksons ist ein beredtes Zeichen dafür, wie es um unsere westliche Gesellschaft bestellt ist. Neben der bereits dargelegten finanziellen Verwertung der persönlichen Tragödie widert mich insbesondere diese quasi religiöse Verehrung des Popstars an. Was bei adoleszenten Schwärmern Normalzustand ist, ist bei erwachsenen Menschen schon fast krankhaft. Was wissen all diese Heulsusen eigentlich über die Person MJ? Sie haben sich ausschließlich ein durch Medien gefiltertes Bild von ihm gemacht; wohl kaum einer wird dem Mann näher gekommen sein, als man das eben schafft, wenn man in einer der vorderen Reihen bei einem Großkonzert steht oder vorm Hotel des Stars herumlungert und hofft, ihn einmal kurz zu sehen. So gut wie keiner dieser Hirnamputierten hat jemals ein persönliches Wort mit ihm gesprochen oder im Briefwechsel mit ihm gestanden. Was wissen sie überhaupt über den Menschen? Dass er sie mit seinem Tanz und seiner Musik in Ekstase versetzt hat. Das mag ja zugegebenermaßen eine quasi-religiöse Erfahrung sein – über Jackson sagt sie aber nichts aus.

Natürlich kann sich ein Fan hinsetzen, jeden Schnipsel über seinen Star sammeln und sich dann von ihm ein Bild machen – es bleibt aber immer nur ein Bild. Und das war im Falle MJs übergroß, aufgeblasen, unreal. Wie sonst ist zu erklären, mit welcher Vehemenz ihn seine Fans verteidigten, als Jackson wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht stand. „Michael ist ein Guter, der macht so was nicht“, hieß es da immer wieder oder „Alle lügen, nur Michael sagt die Wahrheit!“. Das grenzt schon an sektenhafte Gutgläubigkeit. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob diese Menschen nicht in der Lage sind, zwischen dem Menschen MJ und seiner Kunst zu trennen. Während sie über Ersteren genau betrachtet nicht das Geringste wissen, ist es durchaus legitim, dass sie durch seine Musik berührt werden…

Ein abschließendes Wort vielleicht noch zu meiner Sicht auf den von uns Gegangenen. Sieht man sich einige Interviews an und hört MJ reden, denkt man immer, man hat ein kleines Kind vor sich. Er wirkt extrem zerbrechlich, fast schon ätherisch. Bei mir lässt dies und die Dinge, die sich über seine unglückliche Kindheit und sein Erfolgsstreben nachlesen lassen, den Schluss zu, dass MJ ein ziemlich armer, getriebener Mensch war, der in seiner eigenen Zauberwelt gelebt hat und dort recht einsam war.

Rest In Peace, MJJ.

PS: Eigentlich wollte ich hier ein Bild reinsetzen aber bevor ich um Millionen verklagt werde, lass ich das lieber. Ich empfehle, mal bei Discogs reinzuschauen:


* „Burn This Disco Out“ ist übrigens ein Titel von MJs „Of The Wall“-Album.

NACHTRAG: Die Beerdigungsfeier wurde parallel vom ersten und vom zweiten deutschen Fernsehen übertragen sowie auf einem der "Dritten" - Phonix oder 3sat, hab's vergessen. Ist das nicht widerlich? Wenn so eine Poppappnase abtritt, steht die ganze Welt still und selbst die von unseren Rundfunkgebühren bezahlten Sender haben nichts Besseres zu tun, als das Husten jedes Ehrengastes zu kommentieren? Gibt es nichts Wichtigeres in der Welt???

1 Kommentar:

Octapolis hat gesagt…

Nun kann man von den gebührenfinanzierten Rentnersendern nicht viel erwarten. Die haben vielleicht gehofft, dass mal jemand unter 55 einschaltet, was ihnen sicher auch gelungen ist. Fuck them!

Zu Kalle Jackson selbst: Er kann einem, Musik hin oder her, schon etwas Leid tun. Er war ein Symbol dafür, wie sehr das Produkt, die Kunstfigut, also in dem Moment er selbst über der eigentlichen Person steht. Sicher hat der Knilch im Überfluss gelebt und sich Dinge verwirklicht, die unsereiner nicht in 1ooo Jahren erleben kann. Und was war er zum Schluss? Eine einsame Wurst, nur eben eine mit Kohle. Wie auch immer, er kann froh sein, Ironie der Sache, dass er jetzt nicht mehr dabei sein muss.

An sich wird´s vorüber gehen und in eine gewisse Vergessenheit geraten, wie alles andere auch.

Hoffentlich sribt bald mal wieder der Papst!

Schönes Wochenende, Knabe O.